Dr. Wolfgang Schäuble live zu erleben, ist zugegebenermaßen ein Privileg. Der enge Mitstreiter des Bundeskanzlers Helmut Kohl und der Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Wiedervereinigung Deutschlands maßgeblich mitgestaltet. Er ist die personifizierte deutsche Geschichte, insbesondere die der Wende und der deutschen Einheit. Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik war ein Ergebnis deutsch-deutscher Verhandlungen, die Schäuble, damals Bundesinnenminister, und sein ostdeutscher Verhandlungspartner, der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Krause, führten. Auf Grundlage des Einigungsvertrags, den Schäuble und Krause unterschrieben haben, wurde am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes vollzogen. Dem Zustandekommen dieses zentralen Kapitels jüngerer deutscher Geschichte und seiner Hintergründe in der Rückschau beizuwohnen von jemandem, der als einer der Architekten der Wiedervereinigung gilt, war bewegend und lehrreich zugleich.
Schäuble, der heute als Alterspräsident des Deutschen Bundestags fungiert, und seit 1972 ununterbrochen Bundestagsabgeordneter (Wahlkreis Offenburg) ist, gab sich bei diesem korrespondenten.cafe gewohnt redegewandt, hellwach, ironisch und geistreich. Zur aktuellen politischen Lage meinte der Bundestagspräsident a.D., dass Deutschland im Prozess der "Disruption der Parteien" im europäischen Vergleich noch hinterher sei. Debatten in der Politik und den Medien würden oft an den realen Sorgen der Menschen vorbeigehen. Wenn sich aber die Politik zu sehr vom Leben der Bevölkerung abkoppelt, könnte es gefährlich werden, denn dies bereite den Nährboden für Rechtspopulismus, warnte Schäuble. Speziell für die CDU gelte es momentan, die richtige Balance in der Programm-Diskussion zu finden, was allerdings schwierig sei, auch angesichts der aktuellen Rolle als Oppositionspartei, so der ehemalige langjährige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ausdrücklich lobte Schäuble die Entscheidung, den Internationalen Karlspreis 2023 an den Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj und das ukrainische Volk zu vergeben. Der Karlspreis der Stadt Aachen wird seit 1950 an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die Einheit Europas verdient gemacht haben. 2022 wurden die belarussischen Bürgerrechtlerinnen Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa ausgezeichnet.
Deutschland und Europa würden im 21. Jahrhundert nur dann eine gute Zukunft haben, wenn man zusammenstehe, mahnte der überzeugte Europäer Schäuble. "Europa ist unsere Hoffnung - eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Allein sind wir hilflos".
Autorin:
Svetlana Alexeeva ist Inhaberin von DIGITAL INSIGHT CIS & Eastern Europe: Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de
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