Europa ist bekanntlich ein bunter Flickenteppich aus Kulturen, Sprachen und Landschaften. Doch mittendrin liegt ein Land, das selbst auf kleinstem Raum eine erstaunliche Vielfalt vereint: Slowenien. Mit rund 20.300 Quadratkilometern ist dieser kleine Staat zwischen Alpen und Adria in etwa so groß wie Rheinland-Pfalz und doch voller Naturschönheiten: Berge, Höhlen, Wälder und eine kurze, aber reizvolle Küste – alles dicht beieinander. Es heißt, im Norden atmet die Seele Sloweniens. Hier, in verschlafenen Flusstälern der Drau, in den Wäldern des Pohorje-Gebirges von Koroška und in den Steiner Alpen von Savinjska, bestimmt noch die Natur den Lebensrhythmus. Es ist ein Ort der Stille, zu dem auch die Einheimischen flüchten, wo Wanderwege direkt vor der Schwelle der Bauernhöfe beginnen, wo die Tradition gelebt und nicht zur Schau gestellt wird.
Die Strecken sind kurz. Von Ljubljana in knapp zwei Stunden Fahrt Richtung Maribor erreicht man die bewaldete Berg- und Hügellandschaft Koroška. Koroška ist der auf der slowenischen Seite gelegene Teil des ehemaligen Herzogtums Kärnten an der Grenze zu Österreich. Die Region ist geprägt von alten Bergen und Wäldern, wie so oft in Slowenien: beinahe 60 Prozent des Landes sind von Wald bedeckt. Besonders dicht und dunkel sind die Wälder im westlichen Pohorje-Gebirge im Süden von Koroška. Hier wachsen auch die legendären Lindenbäume - auch der älteste, der mit einem unglaublichen Alter von mehr als 770 Jahren „die Mutter aller Lindenbäume Sloweniens“ genannt wird und wo jährlich ein nationales Get-Together zelebriert wird.
Pohorje ist ein guter Ausgangspunkt. Ein weitläufiges Hochland, das mit Fichten, Buchen und Birken bewachsen ist, so lässt sich die Landschaft beschreiben. Hier suchen die Einheimischen nach Pilzen und Kräutern, und in den Berghütten werden traditionell gewürzte Suppen serviert. Endlose Wanderwege, darunter der Europäische Fernwanderweg E6 und der Koroška Mountain Trail, laden zu einem gemütlichen Spaziergang oder einer Halbtagestour auf dem Pohorje-Plateau. Das Wandern zählt zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten der Slowenen. Mit den markierten Wanderwegen der Gesamtlänge von mehr als 10.000 Kilometern gibt es dazu auch jede Möglichkeit. Wer sich einer besonderen Koroška-Herausforderung stellen will, kann den Trail K24 ausprobieren, eine 80 km lange Extreme-Route mit Anstiegen auf die fünf höchsten Gipfel von Koroška einschließlich der Petzen (Peca) mit 2125 Metern. Bei E-Bikern ist besonders das Gebiet Ribnica na Pohorju beliebt, vor allem aufgrund der spektakulären gebirgsstrecke, die stellenweise den Blick über die Wolken bereithält.
Wie ein silbernes Band schlängelt sich die Drau, eine der großen Wasserstraßen Sloweniens, gemächlich durch die Landschaft. Hier entlang führt der Drau-Radweg (Dravska kolesarska pot), eines der schönsten Raderlebnisse Sloweniens. Dieser europäische Fernradweg führt durch vier Länder (Italien, Österreich, Slowenien und Kroatien) und misst insgesamt 710 Kilometer. Die Strecke beginnt in Italien in den Südtiroler Dolomiten, durchquert Osttirol und Kärnten bevor er auf der Sonnenseite südlich der Alpen Slowenien erreicht. Die 150 Kilometer lange slowenische Teilstrecke verläuft überwiegend auf ruhigen Nebenstraßen und eigens angelegten Radwegen. Unterwegs radelt man vorbei an Weinbergen, Wiesen, alten Holzbrücken, Wassermühlen und malerischen Dörfern. Die gut ausgeschilderte Strecke folgt dem Verlauf der Drau bis nach Maribor im Osten – Sloweniens zweitgrößte Stadt, die für ihre uralten Weinreben bekannt ist.
Zwischendurch lohnt sich ein Halt in einem gemütlichen Landgasthof am Drau-Ufer – etwa für eine Portion Štruklji, eine köstliche Spezialität aus hauchdünnem Strudelteig, die es in unzähligen Variationen gibt. Dazu eine Tasse Kräutertee oder ein lokal gebrautes Bier – und schon ist man herrlich entschleunigt angekommen in diesem Flusstal. Hier fließt die Drau ruhig und träge dahin, doch in anderen Gegenden kann ihr Wasser ziemlich wild sein. Deshalb war die Holzflößerei in früheren Zeiten nicht nur eine wichtige Wirtschaftsaktivität im Drautal, sondern auch eine harte und gefährliche – wenngleich gut bezahlte – Arbeit. Die ersten Floßtransporte fanden laut historischer Dokumente von 1280 an statt. Bis zur Eröffnung der Eisenbahnlinie Wien - Maribor 1863 transportierte man Güter, vor allem Holz, über das Wasser.
Die Flöße fuhren nicht nur bis Maribor, sondern teilweise bis nach Ungarn, Serbien und Rumänien am Schwarzen Meer. Später, im 19. Jahrhundert, brachte man auch leere Weinfässer aus Österreich ins Weinanbaugebiet rund um Maribor. Ein typischer Tagesritt: Morgens starten, abends nach 65 Kilometern in Maribor anlegen. Für die Strecke bis Belgrad benötigte man zehn bis zwölf Tage. Der Rückweg erfolgte meistens zu Fuß – oder später per Bahn. In der Hochsaison waren bis zu zweitausend Flöße im Einsatz, von März bis November. Im Winter ruhte der Betrieb – der Wasserstand war zu unregelmäßig. Die letzte kommerzielle Floßfahrt fand 1953 statt. Heute ist die Tradition als Teil des slowenischen Nationalerbes zurückgekehrt. Eine Floßtour oder Rafting auf der Drau ist ein echtes Erlebnis – nicht nur durch das Begleitprogramm und rustikale Köstlichkeiten der Floßmänner (gesund und deftig!), sondern die Eigenbetätigung: Als Teil der „Besatzung“ darf – und sollte – man mitpaddeln.
Eine ganz andere Entdeckungstour erwartet Sie in den nahe gelegenen Petzen (slowenisch: Peca), einem Bergmassiv an der Grenze zu Österreich, durchzogen von stillgelegten Erz-, Blei- und Zinkstollen. Die 350-jährige Geschichte des Bergwerks lässt sich hier auf einzigartige Weise erleben – bei einer unterirdischen Kajaktour im Bergwerk und Museum Podzemlje Pece, ausgezeichnet mit dem Gütesiegel Slovenia Unique Experience.
Mit dem Original-Knappenzug geht es tief in den Untergrund der Petzen – durch einen 3,5 Kilometer langen Tunnel, rund 600 Meter hinab in die alte Miene. 17 Minuten dauert die Fahrt in völliger Dunkelheit. Kein Licht dringt durch, nur das Zittern des Waggons. Es ist ein skurriles Gefühl, eine Mischung aus Irritation, Ehrfurcht und Adrenalin – ein Abtauchen in eine andere Welt. Ausgerüstet mit Neoprenanzug, Schwimmweste, Helm und Stirnlampe paddeln Sie anschließend, begleitet von einem Grubenführer, mit dem Kajak durch ein riesiges Labyrinth aus gefluteten Schächten und Stollen zu bis einem unterirdischen See im Inneren des Bergs. Übrigens: Das klare Quellwasser hier gilt als das größte natürliche Trinkwasser-Reservoir Sloweniens.
Im Inneren sinkt die Temperatur auf 10 Grad. Die einzigen Geräusche sind das Plätschern des Paddels und das Tropfen des Wassers, das von den Steinwänden widerhallt. Die Tour ist ein echtes Abenteuer in der Unterwelt ohne irgendein Lichtblick in 700 Meter unter der Erdoberfläche. Gespenstisch. Surreal. Wie ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge. Am Ende erwartet Sie eine traditionelle Kärntner Bergmannsjause – eine herzhafte lokale Delikatesse. Und zurück im Tageslicht klingt dieses Erlebnis noch lange nach. Denn wer in das Herz von Peca gereist ist, sieht diesen schlafenden Riesen fortan mit anderen Augen.
Von Petzen kann man die Tour – wahlweise mit dem Fahrrad auf dem Slowenischen Gebirgsweg – westwärts, Richtung Logartal und Steiner Alpen fortsetzen. Die Region heißt in Slowenien Savinjska – benannt nach dem Fluss Savinja, der sich von hochalpinen Hängen durch Täler und Wiesen bis ins Herz Ostsloweniens schlängelt. Für viele Slowenen ist Savinjska mehr als ein Ort. Hier, im Oberen Savinja-Tal, vor allem im malerischen Logartal (Logarska Dolina), wo die Savinja mit seinem klaren, von den Bergen gespeisten Wasser durchfließt, stellt sich dieses besondere Gefühl der Stille und Ruhe sofort ein. Nahe der österreichischen Grenze bilden die Kamnik-Savinja-Alpen, wie sie in Slowenien genannt werden, eine wilde und poetische Region im Norden des Landes. Das in der Eiszeit entstandene Logartal erstreckt sich zwischen über 2.000 Meter hohen Bergen. Am Talboden breitet sich ein grüner Teppich aus Wiesen aus, übersät mit hölzernen Almhütten. Bauernhöfe bieten Kräutertee, hausgemachten Holunderblütensirup, frischen Käse, warmen Apfelstrudel – und Übernachtungen. Viele Unterkünfte und Öko-Lodges sind klein, familiengeführt und tief mit der Natur verwurzelt. Die Hochgebirgslandschaft ist ein wahres Paradies für Wanderer und alle, die aktive Erholung suchen. Seit 1987 ist das Logartal ein geschützter Landschaftspark und beherbergt zahlreiche bedrohte alpine Pflanzen- und Tierarten. Gut markierte Wanderwege führen durch Wiesen und Wälder, vorbei an Steilwänden oder über waldbedeckte Hochebenen.
Auf etwa 730 Metern Höhe beginnt der Anstieg durch den Wald hinauf zum Rinka-Wasserfall. Auf rund 1.000 Metern erwartet Wanderer dieser meistbesuchte Wasserfall Sloweniens, der als die Urquelle des Flusses Savinja gilt. Wie ein silberner Faden stürzt das Wasser aus der Felswand. Im Winter gefriert der Rinka und verwandelt sich in einen Eisfall. Oberhalb des Wasserfalls steht eine kleine Holzhütte, in der Kräutertee und lokale Hausmannskost serviert werden. Von hier aus bietet sich der beste Ausblick über das Tal und auf die umliegenden Gipfel der Steiner Alpen. Direkt über dem Tal verläuft die Solčava-Panoramastraße, die dank spektakulärer Aussichten und ruhiger Höhenwege ein Traum für Radfahrer und E-Biker ist.
Das wilde Bergambiente zieht viele Bergsteiger und Alpinisten an, allen voran der schneebedeckte Grintovec – mit 2.558 Metern der höchste Gipfel der Steiner Alpen. Slowenien zählt insgesamt 352 Gipfel über 2.000 Meter. In den schneereichen Wintermonaten verwandeln sich die Berge in ein Paradies für Skilangläufer, Schneeschuhwanderer und familienfreundliche Skitourengeher. Beinahe jede erdenkliche Winteraktivität hat hier ihren Platz. Selbst exotisch-kühne Disziplinen wie Skispringen und Skifliegen (auf Schanzen ab 200-Metern) sind bei den Slowenen ausgesprochen beliebt – und Teil ihrer sportlichen DNA. Ein Beweis für diese Leidenschaft: Am 23. September feiert Slowenien den „Tag des Sports“. Es ist ein gesetzlicher Feiertag, der ganz dem Wert von Bewegung, Naturverbundenheit und Gemeinschaft gewidmet ist. An diesem Tag ehrt das Land auch seine Athletinnen und Athleten – darunter etliche Olympiasieger, die das kleine Slowenien immer wieder auf die große Bühne des Weltsports bringen.
Und wenn Sie die taufrischen Wiesen des Logartals, die kühle Unterwelt der Petzen, die dichten Wälder des Pohorje oder die ruhig dahinfließende Drau hinter sich lassen, werden diese Eindrücke noch lange in Ihnen nachhallen. Denn was Savinjska und Koroška so besonders macht, ist nicht nur ihre einzigartige Landschaft, sondern auch die Art und Weise, wie die Menschen hier leben – im Rhythmus der Natur, verwoben mit alten Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dieser Funke springt über, selbst wenn Sie sich nur eine kurze Auszeit im alpenländischen Slowenien gönnen – vielleicht nur für ein Wochenende, um Energie zu tanken. Der alpine Norden Sloweniens verzaubert in aller Stille.
Bilder: © Slovenian Tourist Board und Svetlana Alexeeva
Kontakt zur Autorin: Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de
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