Andrey Sobolev, russisches Handels- und Wirtschaftsbüro
Andrey Sobolev leitet das russische Handels- und Wirtschaftsbüro in Berlin

Im Gespräch:

Andrey Sobolev, Leiter des Handels- und Wirtschaftsbüros der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland.

Andrey Olegowitsch, seit März 2019 leiten Sie das Handels- und Wirtschaftsbüro der Russischen Föderation (im Folgenden: Handelsbüro). Was ist das für eine Institution und welche Funktion erfüllt sie?

Gegenwärtig hat Russland 57 Handelsbüros mit Zweigstellen weltweit, die seit 2018 dem Ministerium für Industrie und Handel unterstellt sind. Ihre Funktion ist es, Außenwirtschaftsinteressen unseres Landes zu vertreten und Handelsbeziehungen zu fördern.

Als Handelsbüroleiter bekleiden Sie einen exponierten Posten. Sie sind der Hauptansprechpartner, wenn es um deutsch-russische Wirtschafts- und Handelsbeziehungen geht. Warum hat man ausgerechnet Sie dafür ausgewählt?

Dieser Ernennung ging natürlich ein langer Weg voraus. Gewiss spielten das Studium des Fachs „Weltwirtschaft“, Landes- und Sprachkenntnisse eine Rolle. Außerdem hatten fast alle meine Berufsstationen, zum Beispiel als Minister im Swerdlowsker Gebiet oder beim Wirtschaftsministerium in Moskau, einen Bezug zur Außenwirtschaft.

Welche Aufgaben wollen Sie als erstes angehen?

Im Grunde steht vor allen Handelsmissionen Russlands zurzeit die gleiche Aufgabe: Eine Steigerung nichtrohstoff- und nichtenergiebasierter Exporte (NNE). Die Vorgabe leitet sich aus dem Nationalprojekt „Internationale Kooperation und Export“ ab, einem der zwölf Nationalprojekte, die die Regierung in Folge des Präsidentenerlasses vom Mai 2018 realisiert. Für daraus resultierende langfristige, exportorientierte Projekte wollen wir ausländische Investoren, auch aus Deutschland, gewinnen. Unser engster Partner ist dabei das Russian Export Center (REC). Es kümmert sich um die Marketingseite, organisiert Messeauftritte für Unternehmen und ihre Teilnahme an relevanten Businessevents.

In Deutschland trifft man das REC inzwischen nicht nur auf der Hannover Messe, sondern auch beim Filmfestival Berlinale…

Richtig, denn die Kreativindustrie, Film, Animation gehören auch zum NNE-Bereich, der ja unser Fokus ist.

Sprechen wir über Zahlen und Fakten. Wie steht es um die russische Handelsbilanz und den Handel mit Deutschland?

Im letzten Jahr betrugen die gesamten russischen Exporte etwa 405 Milliarden Euro – davon 134 Milliarden Euro aus dem NNE-Bereich. Die Importe lagen bei fast 238 Milliarden Euro. Deutschland ist unser zweitwichtigster Handelspartner – nach China. Die Bundesrepublik hat 2018 Güter im Wert von 27,5 Milliarden Euro nach Russland exportiert und im Wert von 38,2 Milliarden Euro importiert. Nach Bundesländern steht Nordrhein-Westfalen an vorderster Stelle, gefolgt von Hessen, Bayern und Sachsen-Anhalt.

Was kann Russland auf Auslandsmärkten anbieten außer Rohstoffen und fossilen Energieträgern?

Eine ganze Menge: IT-Produkte, Eisenbahntechnik, Lebensmittel – 2018 exportierte Russland eine Rekordmenge an Getreide auf den Weltmarkt. Als Exportwachstumstreiber gelten Maschinenbau, Pharmazie- und Kosmetikgüter, Chemie, Metallurgie und Holzwirtschaft. Deutsche Investoren sind herzlich willkommen, in diesen Sektoren eine Produktion kostengünstig und unter Inanspruchnahme von Fördermaßnahmen in Russland aufzubauen. Sie müssen nur Lokalisierungsanforderungen beachten und ein exportorientiertes Projekt betreiben. Dann kann man Zuschüsse, Sonderdarlehen beim Industrieentwicklungsfonds, Transportkostenerstattung und dergleichen vom Staat abrufen, an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen oder einen SPIC (Special Investment Contract) mit der Regierung abschließen.

Was sind Ihre wichtigsten Partner hier in Deutschland?

Vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer und regionale IHKs. Mecklenburg-Vorpommern veranstaltet jährlich den Russlandtag in Rostock. Ich persönlich halte die GRID-Initiative (German-Russian Initiative on Digitalization) von Siemens, SAP, Bosch, Volkswagen, Rostelekom, Zyfra (Renova Group), Skolkovo und anderen Unternehmen für sehr spannend.

Andrey Sobolev, russisches Handels- und Wirtschaftsbüro in Deutschland
Andrey Sobolev und Svetlana Alexeeva im Gespräch im Berliner Büro

China hat Deutschland als Russlands wichtigster Handelspartner abgelöst. Ist dies ein Zeichen dafür, dass Russland seine Handelsströme – auch Rohstoffe – von Europa nach Asien umleitet?

Ich könnte ergänzen, auch zugunsten Afrikas und Lateinamerikas. Wir sind bereit, mit allen Ländern zusammenzuarbeiten. Nehmen Sie Indien. Das ist unser bewährter strategischer Partner, der sich an keinerlei Sanktionen gegen unser Land beteiligt. Im Gegenteil entwickeln sich unsere Wirtschaftsbeziehungen gerade prächtig. Indische Unternehmen haben ein großes Interesse am russischen Energieindustriesektor. Das sind nicht nur die Öl- und Gaswirtschaft, sondern auch erneuerbare Energien. Wir laden auch deutsche Unternehmen dazu ein. Es gibt bereits Leuchtturmprojekte für diese Kooperation.

Können Sie Beispiele dafür nennen?

Das erste Mercedes-Benz-Werk Russlands in der Nähe von Moskau, das im April von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, Russlands Präsident Wladimir Putin und Daimler-Chef Dieter Zetsche eröffnet wurde. Oder „Arctic LNG-2“, das neue Flüssiggas-Projekt des russischen Gasproduzenten Novatek, das mit ausländischen Partnern wie TechnipFMC, Total aus Frankreich, Mitsui и JOGMEG aus Japan, CNPC und CNOOC aus China, Saipem aus Italien, Siemens und Linde aus Deutschland und Nuovo Pignone, der italienischen Tochter von GE realisiert wird. Doch Kooperationen zwischen Regionen und Städten, kleinen und mittleren Unternehmen gehören auch zu meinem Aufgabenbereich – nicht nur Großprojekte.

Wie fördert das Handelsbüro die Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Regionen konkret?

Durch Informationsveranstaltungen und Investorentreffen, wenn Delegationen der russischen Föderationssubjekte – insgesamt sind das 85 – auf Deutschland-Tour gehen. Das sind jährlich etwa 30 Termine, die das Handelsbüro koordiniert. Demnächst reist Tatarstans Präsident nach Thüringen. Im Oktober besucht eine Delegation aus Bayern das Gebiet Uljanowsk und die Republik Tatarstan.

Deutsch-Russische Themenjahre sind ein anderes wichtiges Format. 2018 war den Städtepartnerschaften gewidmet. Aktuell läuft das Deutsch-Russische Jahr der Hochschulkooperation und Wissenschaft. Dank dieser Dialogmöglichkeiten entwickeln sich auch zwischenmenschliche Beziehungen, die uns einander näher bringen und helfen, selbst in schwierigen Zeiten einander zu verstehen.

 

Das Gespräch führte und übersetzte Svetlana Alexeeva, Strategy Advisor & Inhaberin von DIGITAL INSIGHT CIS, Eurasia & Russia:

Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

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