Pferdekutschen auf dem Markplatz von Krakau
Kutschen warten auf dem Marktplatz

In Krakau schlägt Polens Herz

Die zweitgrößte Metropole des Landes ist ein Spiegel seiner Geschichte und eine der schönsten Städte Europas

Von Frank Schüttig

Krakau liegt weit im Osten Polens, doch die Stadt empfängt uns mit südeuropäisch anmutender Leichtigkeit. Eine gelassene Heiterkeit scheint hier in der Frühlingsluft zu schweben. Rings um die schöne Altstadt zieht sich ein breiter grüner Gürtel mit Bäumen und Bänken, wo die Krakauer und ihre Gäste flanieren und sich entspannen. Auf dem riesigen Hauptmarkt, dem Rynek Glówny, stehen weiße, bequem gepolsterte Kutschen mit braunen Pferden. Junge, elegant gekleidete Kutscherinnen halten Ausschau nach Kundschaft. Wir ziehen es vor, zu Fuß über den 200 mal 200 Meter großen quadratischen Platz, einer der größten mittelalterlichen Marktplätze Europas, zu schlendern. Unsere Stadtführerin Monika, die in Krakau aufgewachsen ist und in Heidelberg studiert hat, zeigt auf die zweitürmige Marienkirche an der Ostseite des Platzes. „Das ist für viele die schönste Kirche von Krakau“, sagt sie. Die dreischiffige Basilika wurde im 14. Jahrhundert auf den Fundamenten einer früheren romanischen Kirche erbaut, die bei einem Tatareneinfall zerstört und geplündert wurde. Den 13 Meter hohen und 11 Meter breiten Marienaltar hat der Nürnberger Bildhauer Veit Stoss aus Eichen- und Lindenholz geschnitzt. 3.000 Gulden hätten wohlhabende Krakauer Kaufleute, reich geworden mit Salzhandel, für den Altar auf den Tisch gelegt, erzählt Monika. Veit Stoss, der viele Jahre in Krakau gelebt hat und in Polen Wit Stwosz heißt, wurde mit seinem Altar ein gemachter Mann und zog zurück ins heimatliche Franken.

Veit-Stoss-Altar in der Marienkirche
Veit-Stoss-Altar in der Marienkirche

Trompeter auf dem Turm

Eingerahmt wird die Marienkirche von zwei unterschiedlich hohen Türmen, dem Wachturm und dem Glockenturm. Auf dem Wachturm spielt zu jeder vollen Stunde ein Trompeter ein Turmlied, den traditionsreichen Hejnal. Mittendrin bricht das Musikstück ab und verklingt. Der mittelalterliche Wächter, der vom Turm aus die Tataren herannahen sah, habe mit diesem Trompetensignal die Krakauer warnen wollen, sagt Monika. Dabei habe ihn der tödliche Pfeil eines Tataren getroffen. Deshalb ende das Musikstück heute noch genau an derselben Stelle wie damals. Die beiden Kirchtürme hätten zwei Brüder gebaut. Einen von ihnen plagte – der Legende nach – die Eifersucht darüber, dass der Turm seines Bruders einige Meter höher war. So sehr, dass er ihn mit einem Messer erstach. Danach marterten den Täter Gewissensbisse, er stürzte sich von seinem Turm hinunter auf den Marktplatz. Monika zeigt uns ein langes, spitzes Messer, das in den Tuchhallen von der Decke hängt. Dabei soll es sich um die damalige Tatwaffe handeln …

Die imposanten Tuchhallen, ein langgestreckter, gelb-roter Renaissancebau, stehen mitten auf dem Marktplatz und teilen ihn in zwei Hälften. Gehandelt wird nicht mehr mit Tuch, sondern mit Touristenandenken und Krimskrams aller Art. Vor den Tuchhallen thront auf einem hohen Sockel ein Denkmal des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz, der als wichtigster Vertreter der Romantik des Landes gilt. Sein im Pariser Exil geschriebenes Epos „Pan Tadeusz“ (Herr Tadeusz) ist bis heute Lektüre an Polens Schulen. Das von Tauben umflatterte Denkmal sei ein beliebter Ort für Verabredungen, verrät uns Monika. Daneben werden Blumen verkauft. Ein Stück weiter erhebt sich der alte Rathausturm mit einer markanten Uhr, der letzte Rest des ehemaligen Rathauses, das nach einem Brand im 19. Jahrhundert abgerissen wurde. Ein Modell neben dem Turm veranschaulicht den alten Bau.

Marktplatz mit Tuchhallen
Marktplatz mit Tuchhallen

Unzerstört im Krieg

Die alten Gemäuer von Krakau haben viel gesehen. Bis ins 17. Jahrhundert war die Stadt an der oberen Weichsel die stolze Hauptstadt des Königreichs Polens. Hier wurden die Könige gekrönt. Lange gelangten sie durch Abstammung auf den Thron, später wurden sie gewählt. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde Krakau eine Freie Stadt, dann kam es zu Galizien und war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eine der größten Städte der Habsburger k.u.k-Monarchie. Von Wien nach Krakau fuhr die Nordbahn, die wichtigste Bahnstrecke der Monarchie. Im Zweiten Weltkrieg blieb Krakau glücklicherweise unzerstört. 1978 wurde der Erzbischof von Krakau, Karol Wojtyła, zum Papst gewählt und nahm den Namen Johannes Paul II. an. Während seines Pontifikats besuchte er mehrmals seine Heimatstadt. Das stärkte den polnischen Widerstand gegen den Kommunismus. Ebenfalls 1978 wurden die Altstadt von Krakau und der Wawel Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Monika spaziert mit uns durch das Universitätsviertel südwestlich vom Marktplatz. Die im Jahr 1364 gegründete Jagiellonen-Universität sei nach Prag die zweitälteste Universität Mitteleuropas, klärt sie uns auf. Einer ihrer Studenten war der berühmte Astronom Nikolaus Kopernikus. Bevor sie nach Heidelberg ging, hat auch Monika hier studiert. Bis heute sei Krakau eine beliebte Studentenstadt, sagt sie. Wir bewundern den schönen Innenhof des alten Hauptgebäudes Collegium Maius, das heute für Festveranstaltungen dient und ein Museum zur Geschichte der Universität beherbergt.

Hier regierten Polens Könige

Südlich vom Marktplatz führt der Königsweg, die ul. Grodzka, zum Wawel. Die belebte Geschäftsstraße ist gesäumt von Einkaufsläden, Restaurants, Cafés und Kirchen. Im Haus Nr. 39, Ecke ul. Poselska, lebte Veit Stoss, der Schöpfer des Marienaltars. In einer Seitenstraße, der ul. Franciszkanska, zeigt uns Monika den Palast der Krakauer Bischöfe. „Hier wohnte Kardinal Karol Wojtyła, bis er im Oktober 1978 zum Papst gewählt wurde“, erklärt sie. „Auch als Papst Johannes Paul II. logierte er hier bei seinen Krakau-Besuchen. Aus einem Fenster über dem Eingang sprach er mit den Krakauern draußen auf der Straße.“ Ein lebensgroßes Foto des Papstes im Fenster über der Tür erinnert daran.

Der Hügel mit dem Wawel ist das polnische Nationalheiligtum. Königsschloss und Kathedrale verbinden weltliche und kirchliche Macht. Vom 11. bis zum 17. Jahrhundert regierten Polens Könige von hier aus das Land. Im großen Innenhof des 1504 bis 1536 errichteten Renaissanceschlosses wurden Ritterspiele und andere Festivitäten veranstaltet. Ausstellungen auf drei Ebenen zeigen die königlichen Gemächer. In der Schatzkammer präsentiert man das Krönungsschwert der polnischen Könige aus dem 13. Jahrhundert.

Der Wawel ist Polens Nationalheiligtum
Der Wawel ist Polens Nationalheiligtum

Monika steigt mit uns hinunter zu den kühlen Grabkammern im Keller der Wawelkathedrale. In diesen Grüften finden sich die Ruhestätten der polnischen Herrscher und anderer wichtiger Persönlichkeiten. Auch der Sarg Augusts des Starken von Sachsen, der 1697 bis 1706 König von Polen war, ist in der Königsgruft zu sehen. Sein Herz wurde in einer Silberkapsel in die Dresdner Hofkirche überführt und befindet sich dort bis heute. 

Die letzten, die in der Krypta der Wawelkathedrale bestattet wurden, waren Lech und Maria Kaczyński, Polens damaliger Präsident und seine Ehefrau, die beim Flugzeugabsturz 2010 im russischen Smolensk ums Leben kamen. Sie ruhen in einem gemeinsamen Sarkophag.

Der Drachen und der Schuster

Um den Wawelhügel herum fließt die Weichsel. Eine Attraktion besonderer Art - auch für Kinder - ist die Drachenhöhle. Ein feuerspeiender Drachen aus Metall, eine Schöpfung des Bildhauers Bronislaw Chromy, regt die Phantasie an. „Die damit verbundene Legende kennt in Polen jedes Kind“, sagt Monika. In der Höhle hauste zur Zeit von König Krak ein fürchterlicher Drache mit grünen Schuppen. Jeden, der sich der Höhle näherte, fraß er auf. In seiner Not bot König Krak dem kühnen Helden, dem es gelänge, das grässliche Untier zu besiegen, die Hand seiner schönen Tochter und die Hälfte seines Reiches an. Doch keiner der wagemutigen Ritter schaffte es. Schließlich kam ein unscheinbarer Schuster des Wegs - ohne Rüstung. Der Schuster schlachtete ein Schaf, füllte es mit Schwefel, nähte es wieder zusammen und legte es vor die Höhle. Mit einem schnellen Biss verschlang der gierige Drache das schwefelgefüllte Schaf. Davon bekam er so starken Durst, dass er sehr viel Wasser aus der Weichsel trinken musste. Er trank und trank, bis sein Bauch platzte. So wurde der Drache besiegt. Der Schuster heiratete die Prinzessin und erhielt die Hälfte des Reiches.

Infos

Polnisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 130, 10711 Berlin
Tel.: +49 30 210092-0
E-Mail: info.de@polen.travel
www.polen.travel

Krakau-Tourismus im Netz: krakow.travel

Hoteltipp

Hotel Wyspiański, Westerplatte 15, 31-033 Krakau (fußläufig zur Altstadt und zum Hauptbahnhof), www.hotel-wyspianski.pl

Restaurant-Tipps

„Restauracja Pod Baranem“, ul. św. Gertrudy 21 (stilvolle polnische Küche), https://podbaranem.com/

„Farina“, ul. św. Marka 16 (Altstadt, gehobene italienische Küche), https://farina.com.pl/

„Bazaar Bistro“, plac Nowy 6 (im Ausgehviertel Kazimierz, modern), https://bazaarbistro.pl/

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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