Bayerisch-Schwaben - Romantische Straße
Bayerisch-Schwaben - Romantische Straße. Copyright: Trykowski

Roadtrip durch Geschichte, Kunst und Natur.

Deutschlands Süden: Bayerisch-Schwaben und Chiemsee-Alpenland

Von Svetlana Alexeeva

Wir planen einen Roadtrip. Es soll eine fünftägige Autotour durch den deutschen Süden werden, mit Start in Bayerisch-Schwaben, Zwischenstopp in Augsburg und Endziel Chiemsee an der Grenze zu Österreich. Corona bremst Fernreisen aus, doch wir sehen in der Pandemie eine Chance, in Deutschland zu verweilen und dessen kulturelle Vielfalt kennenzulernen.

1100 Jahre alt: Nördlingen an der Reichsstraße von Würzburg nach Augsburg

Eine Autostunde südwestlich von Nürnberg wartet bereits die erste Entdeckung: Nördlingen. Die reichhaltige Fachwerkarchitektur lässt die frühere Bedeutung der 1100 Jahre alten Stadt erahnen, die mal eine Reichsstadt war, gelegen an der alten Reichsstraße von Würzburg nach Augsburg. Ein vollständig erhaltenes mittelalterliches Antlitz mit Häusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert empfängt den Besucher. Die Stadtmauer ist vollständig erhalten und begehbar, was einzigartig in Deutschland ist. Der 90 Meter hohe Glockenturm der St. Georgen Kathedrale ist seit jeher auch ein Ruferturm: Türmer warnen bis heute allabendlich vor einer einst bestehenden Gefahr mit dem Ruf „So, G’sell, so!“.

Nationaler Geopark Ries: Meteoriteneinschlag vor 15 Millionen Jahren

Das Baumaterial der Kirche lohnt einen genaueren Blick: ‚Suevit’, ein von unterschiedlicher Körnung gesprenkelter „Schwabenstein", der auf eine geologische Besonderheit verweist. Vor 15 Millionen Jahren schlug in der Gegend ein mächtiger Meteorit ein. Dadurch entstand das Ries – ein Krater von 30 Kilometern Durchmesser, der den Suevit und äußerst fruchtbare Ackerböden hervorbrachte. Im 12. Jahrhundert legten die Lehnherren hier wehrhafte Burgen an, zum Beispiel Harburg, die sich imposant über der träg fließenden Wörlitz erhebt. Das Ries selbst ist einer der insgesamt 17 Nationalen Geoparks, demnächst möglicherweise auch ein UNESCO Global Geopark, wenn es mit der Zertifizierung klappt. Sein Meteoritenkrater gilt als einer der am besten erforschten in Europa. Davon zeugen zahlreiche Wanderwege, das Riesenkrater-Museum oder die als „Fenster in die Erdgeschichte“ fungierenden Erlebnis-Geotope.

Harburg-Wörnitz
Harburg-Wörnitz. Copyright: Fouad Vollmer

Auf dem Weg ins südliche Schwäbische Donautal passiert man Wertingen und Höchstädt an der Donau. Architekturinteressierte können hier an vielen Häusern typische Merkmale der schwäbisch-ländlichen Bauweise studieren: Ein hoch aufragendes Satteldach, gepaart mit niedriger Traufe, dessen Giebel im Untergeschoss eine Reihe kleiner Fenster samt Läden aufnimmt, nach oben jedoch selbstbewusst herrscht. Die Häuser versprühen nicht etwa provinzielle Bäuerlichkeit, sondern Weltliches, ja Stolz mit städtischem Bezug. Ein solches Haus hat Familie Mende in Zusamaltheim liebevoll für den Fremdenverkehr hergerichtet. Die Station ist ein guter Ausgangspunkt für Radtouren im nahen Donautal, zum Beispiel auf dem neuen Premium-Radweg DonauTÄLER (4 ADFC-Qualitätssterne) mit rund 300 Kilometern Länge und 14 Nebentälern.

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Dach, Speis und Trank in Kloster Holzen in Allmannshofen

Nach einer fordernden Bike-Tour entlang der Donau, dann quer durch Auwälder und Wiesen in einem ehemaligen Benediktinerinnenkloster zu nächtigen, ist ein besonderes Erlebnis für die Sinne und den Geist. Kloster Holzen in Allmannshofen ist heute Vieles in einem: Tagungs- und Trauungsort, Hotel mit schlichter Ausstattung, aber ausgesucht edler Atmosphäre sowie Behindertenwerkstatt, die eine Imkerei und einen Kräutergarten einschließt. Die Klosterkirche ist ein barockes Juwel: Goldschwere und Stucksättigung einer ganzen Epoche in ihrem Inneren lassen den Betrachter ehrfurchtsvoll erstaunen.

Fuggerstadt und UNESCO-Welterbe Augsburg

Nur 30 Kilometer südlich, wo Lech und Wertach zusammenfließen, liegt Augsburg, die Fuggerstadt, eine der ältesten Städte Deutschlands und die drittgrößte Stadt Bayerns. Jakob Fugger war seinerzeit einer der reichsten Menschen Europas. Sein Porträt mit roter Kappe und seidenem Umhang, gemalt von Albrecht Dürer um 1518, begegnet einem in der Stadt immer wieder. Der Goldene Saal des Rathauses mit der für die Hochrenaissance typischen klaren Eleganz lässt jene glanzvolle Blütezeit erahnen. Doch nicht der Reichtum allein, sondern auch sein Sozialprojekt, die Fuggerei, machten den Augsburger Kaufmann berühmt: eine Wohnsiedlung inmitten der Stadt mit eigener Mauer für schuldlos in Not geratene Bürger. Das Projekt existiert bis heute. Die Fuggerei-Bewohner zahlen, wie vor 500 Jahren, 1 Rheinischen Gulden (88 Cent) Jahresmiete – zuzüglich eines von Jakob vorgeschriebenen täglichen Gebets.

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Augsburger Wassertürme am Roten Tor. Copyright: Reinhard Paland

Seit 2019 gehört Augsburg zum UNESCO-Welterbe, und zwar für sein Wassermanagement. Das Trinkwassersystem geht auf die Römerzeit zurück, entlang der Stadtmauer gebaute Wasserwerke sind wahre Architektur- und Technikdenkmale. Dank der Antriebskraft der Lech- und Wertachkanäle wurde die Stadt schon Mitte des 19. Jahrhunderts zur Industriestadt. Übrigens stammt Bertolt Brecht aus Augsburg. Der weltberühmte Dramatiker verbrachte in der Universitätsstadt die ersten 23 Jahre seines Lebens. Brechts Geburtshaus ist zu besichtigen.

Vorbei an München gelangen wir ins Chiemsee-Alpenvorland und legen einen Stopp in Rosenheim am Inn ein. Dank der königlichen Saline wuchs die Stadt im 19. Jahrhundert rasant. Die Altstadt überstand den 2. Weltkrieg unversehrt, deshalb sind Patrizierhäuser mit ihren charakteristischen Laubengängen, Gewölben und Erkern original erhalten.

Keine 20 Kilometer östlich liegt der Chiemsee, „Bayerisches Meer“, nach dem Bodensee und der Müritz der drittgrößte See Deutschlands. Unser Ziel sind die Frauen- und die Herreninsel, die „etwas für Frühaufsteher" sein sollen. Und so quartieren wir uns am Vorabend ins B&O Parkhotel in Bad Aibling ein und besichtigen die hiesige Therme. Das Parkhotel ist auf einem ehemaligen Gelände der US-Army nicht nur malerisch gelegen. Es gleicht mit im Park verstreuten Häusern mit moderner Selbstversorger-Infrastruktur einer idealen „City of Wood“.

Mystisch: Fraueninsel und Herreninsel im Chiemsee im Voralpenland

Die Schiffsüberfahrt am nächsten Morgen verläuft im Nebel. Die Stimmung ist mystisch, als ob sich uns die Inselgründungsgeschichte als Benediktinerkloster im 9. Jahrhundert selbst offenbaren wolle. Die Fraueninsel mit der Benediktinerinnen-Abtei ist bis heute ein Wallfahrtsort, an dem Traditionen des ältesten deutschen Nonnenklosters gepflegt werden.

Chiemseeinseln
Chiemsee und seine Inseln (Luftbild). Copyright: Chiemsee-Alpenland Tourismus

Die Herreninsel ist säkularisiert. Das Schloss Herrenchiemsee hat sein Vorbild in Versailles. Damit wollte sein visionärer Bauherr, König Ludwig II. von Bayern, ein Denkmal für den französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. setzen, konnte aber das Projekt aufgrund versiegender Finanzmittel und seines Todes 1886 nicht vollenden. Als das Schiff auf der Rückfahrt durch das ruhige Seewasser gleitet, wird der idyllische Anblick der Inseln samt schneebedeckter Gipfel der Chiemgauer Alpen am Horizont immer mehr zu einem unwirklichen Traumbild.

 

 

Reiseinformationen:

https://www.bayerisch-schwaben.de

https://www.chiemsee-alpenland.de

Kontakt:

Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

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