VI. Kongress von Weltpolitikern und Führern der traditionellen Religionen in Astana

Kooperation statt Konfrontation

In Astana fand der VI. Kongress von Weltpolitikern und Führern der traditionellen Religionen statt. Ein Gipfeltreffen, das Anlass zur Hoffnung gibt.

Dr. Michael-Andreas Butz

Als Bundespräsident Frank Walter Steinmeier noch als Außenminister die Krisen der Welt betrachtete, entfuhr es ihm: „Es scheint, als ob die Welt aus den Fugen geraten ist“. Zu den politischen, globalen Konflikten wie Klimawandel, Handelskriegen, dem Ukraine-Konflikt, verschiedenen Sanktionen, sind zunehmend verstärkt auch inter-religiöse und intra-religiöse Konflikte hinzugekommen: Myanmar, Jemen, Syrien und Irak. Es gibt Pulverfässer, bei denen nur die Lunte gezündet werden muss und schon explodiert die Region.

Da passte es, dass Kasachstan politische Führer und Führer der Weltreligionen zum 10. und 11. Oktober 2018 eingeladen hatte unter dem Motto: „Weltreligionen für eine sichere Welt“. Seit 2003, zwei Jahre nach dem 11. September 2001 mit dem terroristischen Anschlag in New York rief Kasachstan Politiker und Religionsführer auf, gemeinsam über die globalen Herausforderungen nachzudenken und, so das erklärte Ziel, den von Samuel Huntington propagierten berüchtigten „Kampf der Kulturen“ („clash of civilisations“) vermeidbar zu machen.

Die Initiative ergriff seinerzeit Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew, der auch  die diesjährige, sechste Veranstaltung eröffnete. Die Anzahl der Delegationen hat sich von 17 (in 2003) auf jetzt 82 erhöht. Dies unterstreicht die Bedeutung des Kongresses, aber es weist zugleich natürlich auch auf die Krisenanfälligkeit unserer Zeit hin. In jedem Teil der Welt kann man in den Abgrund von Gegensätzen blicken. Deshalb fragte Nasarbajew auch besorgt in seiner Eröffnungsrede „Wie schaffen wir mit unterschiedlichen Religionen eine globale Sicherheit. Wie können Politiker und Religionsführer zusammen Extremismus und Terrorismus bekämpfen?“ Auf die zugespitzte Frage, „Wie bekommen wir eine bessere Welt?“, gab er gleichzeitig die passende und treffende Antwort: „Kooperation anstatt Konfrontation“.

Kasachstan ist nicht nur das stabilste und stärkste Land Zentralasiens, sondern es steht an der Spitze aller früheren Sowjetrepubliken. Präsident Nasarbajew genießt Respekt und Ansehen in der internationalen Welt, auch für seine Vorschläge für Frieden und Abrüstung. Kasachstan ist mit seiner Hauptstadt Astana offensichtlich auch ein guter Ort für die internationale Krisenbewältigung. Hier finden ständig Gespräche zur Verbesserung der humanitären Lage in Syrien statt, Abrüstungsgespräche zur Verbannung der Atomwaffen, sowie jährlich ein „Global Challenges Summit“ mit Nobelpreisträgern zu den gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Mit über 100 Ethnien und einem Nebeneinander aller Weltreligionen in einem mehrheitlich islamischen Staat ist das Land selbst ein Abbild der globalisierten Welt.

Der Präsident von Serbien, Aleksandar Vucic, schilderte anschaulich das Zusammenleben mehreren Religionen auf dem Balkan und ging auf die dramatischen Konflikte des Balkankrieges in den 90er Jahren ein: „Die Konfliktzonen habe sich bis heute erhalten“. Und eine Lösung scheint nur mit einem Miteinander von Politik und Religionen möglich zu sein. Dazu betonte der Patriarch der orthodoxen Kirche von Jerusalem, Theophilos III., „die besondere Verantwortung von Religionsführern für den Frieden. Die christliche Botschaft ist Frieden, dann müssen wir auch für Frieden sorgen.“

Dem stimmten der führende Geistliche Israels, Rabbi Ovadia Yosef, ebenso wie der römische Kurienkardinal Francesco Coccopalmerio zu: „Wir müssen die Gewalt bannen. Wer Gewalt predigt, verstößt gegen Gott“. Und der Vertreter der anglikanischen Kirche Englands, Richard Atkinson, Bischof von Bedford, forderte: „ Wir müssen nicht nur diskutieren was uns verbindet, sondern was uns auch trennt. Besonders wichtig ist, dass hier Juden, Christen und Muslime zusammensitzen, um die Zukunft gemeinsam zu sichern“. Die Führer des Islams, darunter hochrangige sunnitische wie schiitische Geistliche, wiederum waren sich einig, dass ihre Religion nicht Terrorismus bedeutet, dass aber die Botschaft des Friedens und die Werte des Islams an die Gläubigen gebracht werden müssen. „Es ist besser, das Geld den Bedürftigen zu geben, als es in Militärausgaben zu stecken“, hob Ahmed el-Tayeb, Imam der berühmten Kairoer Universität und gleichnamigen Moschee al-Azhar hervor. Einer Maxime, der niemand widersprechen mochte.

So wenig erwartet werden kann, dass die Probleme der Welt auf einem Kongress gelöst werden, so bedeutsam erscheint aber, dass alle bedeutenden Religionsführer – zum wiederholten Male und in größerer Anzahl als zuvor – an einem Tisch saßen und keiner ausweichen konnte. Das hat neue Qualitäten. In den 23 Punkten der gemeinsamen Schlusserklärung finden sich auch sehr konkrete Aufforderungen auf Verzicht von Provokation und Gewalt an gemeinsamen Schnittstellen verschiedener Religionen wie in Jerusalem, oder zur Wiedereingliederung von Ex-Terroristen in deren jeweiligen Heimatländern.

Insgesamt vermittelt die Schlusserklärung Anlass zu Hoffnung und Optimismus. Gastgeber Nasarbajew stellte fest, dass die weltweiten Konflikte ganz offenbar eine neue Dimension erreicht haben, die Antworten einfordert. Er hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Bildung hervor: „Bildung gegen Radikalisierung“. Auch da kann man nur zustimmen und auffordern: Fangt an!

 

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