Stadtzentrum in Astana
Astana, Stadtzentrum

Kasachstan startet das AIFC.

Finanzzentrum zum Jubiläum von Astana. Mehr als nur Symbolik?

Von Svetlana Alexeeva

 

Als Finanzstandort fiel Kasachstan bislang nicht auf. Das soll sich nun mit dem „International Financial Center of Astana“ (AIFC) auf dem ehemaligen EXPO-Gelände ändern. Nach 27 Jahren Unabhängigkeit fühlt sich die sowjetische Ex-Teilrepublik reif genug, einen „Finanzhub“ für Zentralasien zu stemmen – der, wenn es gut geht, auch die Kaukasus- und Nahostländer, West-China, Mongolei und Eurasische Wirtschaftsunion einbeziehen soll.

Der Zeitpunkt an sich ist gut gewählt. Die „Belt and Road-Initiative“ (BRI) des kasachischen Nachbarlands China wird immer greifbarer. Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), der Kasachstan, aber auch Russland seit der Gründung 2015 angehören, gewinnt durch die Zollunion gerade deutlich an Fahrt. Die kasachische Wirtschaft und Gesellschaft durchlaufen dank Reformplänen wie „Green Economy“ und „Digitales Kasachstan“ eine beachtliche Transformation. Unter diesen Umständen könnte ein Finanzzentrum durchaus ein Vehikel sein, das nötige Kapital für anstehende Modernisierungsprojekte zu akkumulieren – zum Beispiel für 51 rein kasachische BRI-Vorhaben in einem Umfang von 27,7 Milliarden Dollar.

Finanzvehikel für Eurasische Wirtschaftsunion und „Belt and Road-Initiative“

Bisher brachten chinesische Firmen ihre eigene Finanzierung über die Exim Bank of China oder die Chinesische Entwicklungsbank mit, doch aktuell ist der Trend in Richtung gemischter Finanzierungsmodelle zu beobachten. Es gäbe bereits einen bilateralen kasachisch-chinesischen „Silky Road Fund”, neuerdings auch die Astana International Exchange (AIX), die neue Wertpapierbörse Kasachstans, die als Teil der AIFC-Infrastruktur agiert – und damit eine potenzielle Möglichkeit, zum Beispiel BRI-Bonds zu emittieren. „An der AIX haben wir bereits eine „BRI-Division“, sagt Timur Onzhanov, der die Abteilung „Asset and Wealth Management“ am neuen Finanzzentrum leitet.

Obwohl „Belt and Road” ein wichtiger Treiber ist, wird es die AIX nicht leicht haben, sich eine Stellung als von internationalen Investoren geachteter Kapitalmarkt zu behaupten. Dessen bewusst, haben die Verantwortlichen die Shanghai Stock Exchange und die US-amerikanische Technologiebörse NASDAQ als strategische Partner an Bord geholt. Beide, die SSE und NASDAQ, sind zugleich Anteilseigner der neuen kasachischen Wertpapierbörse. Anfang Juni hat man 2018 ein Memorandum über strategische Kooperation mit der Bank of China unterzeichnet. Gemeinsam wolle man nach Möglichkeiten für ein grenzüberschreitendes Angebot innovativer High-Quality-Services suchen. Das Ziel ist, „das beste Corporate Governance-System im postsowjetischen Raum“ zu etablieren, was ambitioniert genug ist. Doch wie erreicht man die kritische Masse hinsichtlich Volumen, Liquidität, Teilnehmer, wenn lokale Unternehmen und Banken nur wenig Erfahrung mit dem Kapitalmarkt haben?

„Das beste Corporate Governance-System im postsowjetischen Raum“

Vieles wird von Börsengängen im Rahmen des Privatisierungsprogramms der Regierung abhängen. „Spätestens Ende 2018 sind wir soweit“, sagt Dauren Tasmagambetov, Leiter der Privatisierungsabteilung am Staatsfond Samruk Kazyna, der strategisch wichtige Unternehmen auf eine Erstnotiz oder den Verkauf an einen strategischen Investor vorbereitet. Unter den ersten IPO-Kandidaten sind Air Astana, Kazakh Telekom, KazAtomProm. „Das zentrale Auswahlkriterium ist eine neue Technologie, die der Käufer mitbringt, neben Arbeitsplatzerhalt und Schuldenübernahme“, so Tasmagambetov. Leider habe man unter potentiellen Interessenten bislang keine deutschen gesichtet, obwohl sich dafür zum Beispiel mit „Samruk Energo“ eine einmalige Chance böte, denn man wolle idealerweise einen Investor, der sich sowohl mit traditionellen, als auch mit alternativen Energiearten auskennt.

Timur Onzhanov_AIFC
Timur Onzhanov, Asset and Wealth Management Direktor, AIFC

Am 5. Juli ging das „International Financial Center of Astana“ im Zuge des 20-jährigen Jubiläums der „Nördlichen Hauptstadt“ offiziell an den Start. Selbst wenn bis Jahresfrist nur circa 100 Unternehmen am Zentrum registriert sein werden, wäre dies aus Onzhanovs Sicht kein Grund zum Verzagen: Auch Finanzzentren in Tokio, Hongkong, Seoul oder Singapur mussten sich erst entwickeln. Und ewig von Rohstoffen zu leben, sei keine Option. Kasachstan müsse schon heute Weichen in Richtung Diversifikation und Innovation stellen.

Neuemissionen infolge der Privatisierung als Test

Timur Onzhanov und sein Team haben noch viel Arbeit vor sich. Mit Nischen allein – Fintech, Green und Islamic Finance – ist es nicht getan. Kasachstan ist unter den GUS-Ländern zwar das risikoärmste Land (zurzeit Sovereigns Rating „BBB“ nach Fitch), doch die Frage bleibt, ob es gelingt, nationale und internationale Ankerunternehmen ans AIFC zu holen? Dass die Nationalbank, Kasachstans Zentralbank, von Almaty nach Astana umsiedelt, ist bislang nicht überliefert worden, obwohl viele Geschäftsbanken bereits in den Startlöchern sitzen, wie es unlängst aus kasachischen Finanzkreisen hieß. Im zweiten Halbjahr, nach den ersten IPOs, wenn der Druck von Seiten der Regierung zunehmen sollte, sich doch dezidierter zum AIFC zu bekennen, könnten lokale Spieler eher dazu geneigt sein, den Hauptsitz nach Astana zu verlagern oder wenigstens eine Zweigstelle im Finanzhub zu eröffnen.

Nokia hat sich bereits entschieden. Auf der letzten Sitzung des Berliner Eurasischen Klubs, die vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Kasachischen Botschaft in Berlin veranstaltet wurde, erklärte Olaf Schulz, Nokia Government Relations: „Wir wollen zusammen mit diesem Ökosystem wachsen und unseren Beitrag dazu leisten“.

 

Svetlana Alexeeva ist Inhaberin von DIGITAL INSIGHT Russia, Eurasia & CEE:

Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

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