Automobilproduktion in Finnland
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(Mehr als) 100 Jahre deutsch-finnischer Handel

Von Dagmar Ossenbrink

Dieses Jahr feiert Finnland 100-jähriges Bestehen als eigenständiger Staat. Doch die Wurzeln des deutsch-finnischen Handels reichen viel weiter zurück.

Von der Wikingerzeit zu den Anfängen des eigenständigen Staates

Lange bevor es Deutschland und Finnland in ihrer heutigen Form überhaupt gab, betrieben ihre Einwohner Handel miteinander. Die Wikingerzeit hatte ein Netz früher Fernhandelszentren hervorgebracht, und im Mittelalter war die Hanse Finnlands – damals noch Teil Schwedens – Tor in die weite Welt.

Um die Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg in Fremdwährung leisten zu können, war Export für Deutschland überlebensnotwendig. Gleichzeitig musste das 1917 von Russland unabhängig gewordene Finnland die nationale Wirtschaft aufbauen. Bereits 1921 war Deutschland zu Finnlands wichtigstem Importpartner (33,7% Anteil) aufgestiegen. Als 1934 ein Handelsvertrag abgeschlossen wurde, war zwar die Handelsbilanz relativ ausgeglichen, doch aufgrund der Devisenknappheit das Handelsvolumen gering.

Der Handel nimmt zu – und wird eingestellt

Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt 1939 erklärte Finnland zur sowjetischen Interessensphäre, so dass Deutschland und Finnland erst 1940 im Vorfeld des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion einen neuen Handelsvertrag unterzeichneten. Dieser grenzte Finnlands Außenhandel gänzlich auf die Gebiete in deutscher Hand ein. Trotz herrschender Produktionsverbote stieg bis 1942 der Anteil deutscher Waren von 20 auf 75 Prozent aller finnischen Importe.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die finnische Wirtschaft fast völlig von der Sowjetunion abhängig. Die Waffenstillstandsbedingungen untersagten den Handel mit Deutschland. Für sowjetische Reparationen musste Finnland die Herstellung industrieller Produkte optimieren und war u.a. auf deutsche Komponenten angewiesen. Der Handel zwischen Deutschland und dem noch von Land- und Forstwirtschaft geprägten Finnland über Drittstaaten bestand nach 1945 größtenteils aus dem Austausch finnischer Rohstoffe – vor allem Holz – gegen deutsche verarbeitete Produkte. 1947 hatte der deutsche Export über Drittländer nach Finnland bereits ein Drittel des Niveaus von 1939 erreicht.

Balanceakt zwischen Ost und West

Nach der deutschen Teilung 1949 pflegte Finnland Wirtschaftsbeziehungen zu sowohl der Bundesrepublik als auch der DDR. Obwohl offiziell Gleichbehandlungspolitik betrieben wurde, war der westdeutsch-finnische Handel in der Regel 30 Mal so groß wie der ostdeutsch-finnische Handel. 1989, im letzten Jahr der deutschen Teilung, wurde zwischen der BRD und Finnland mehr Handel betrieben als zwischen West- und Ostdeutschland.

Trotz der GATT-Mitgliedschaft seit 1950 bestimmten Zölle und Lizenzen den finnischen Außenhandel. Die eigentliche Liberalisierung des Außenhandels lief 1957 mit der Abwertung der Finnmark an. Bis 1961 stieg der Anteil der BRD am finnischen Gesamtexport auf 12,4 Prozent.

Der Anteil der DDR an Finnlands Außenhandel belief sich Ende der 1960er Jahre zeitweise auf lediglich ein Prozent, hingegen hatten 1961 ganze 21,1 Prozent der finnischen Importe ihren Ursprung in der BRD. Dieser Anteil nahm mit der Assoziation Finnlands zur EFTA ab, dennoch blieb die BRD der wichtigste Lieferant.

Der Beginn der 1970er Jahre stand im Zeichen der neuen Ostpolitik der BRD sowie der Ölkrise, die das Ansteigen der finnischen Ausfuhren in Folge des 1974 geschlossenen Freihandelsabkommens hemmte. Um die Exporte zu fördern und „um die gesamte deutsche Wirtschaft für finnische Interessenten erreichbar zu machen“, entsprang 1978 die Deutsch-Finnische Handelskammer aus der 1918 gegründeten Deutsch-Finnischen Vereinigung.

Aufschwung, Krise und Neuorientierung

In den 1980er Jahren stiegen die finnischen Exporte in die BRD, und das Land holte wirtschaftlich kräftig auf, bevor es 1990 in die größte Rezession seiner Geschichte stürzte. Verschärft wurde diese durch den Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 und dem Einbruch des finnischen Osthandels. Das nordische Land musste sich neu orientieren. Der deutsche Export nach Finnland nahm ab, auch wenn die Spitzenposition erhalten blieb. Vor allem durch die Zunahme bei den Ausfuhren elektrotechnischer Geräte wurde die BRD ab 1991 Finnlands wichtigstes Exportland. 1995 trat Finnland der Europäischen Union bei.

Weniger als Einzelereignisse ist Stetigkeit für die deutsch-finnischen Wirtschaftsbeziehungen kennzeichnend. Auffällig ist die Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung in beiden Ländern. Während der finnischen Hochkonjunktur 1997 bis 2007 verdoppelten sich die deutschen Ausfuhren. Von der 2008 einsetzenden Weltwirtschaftskrise erholte sich der deutsch-finnische Handel nur langsam.

Vom Holz- zum Handylieferanten

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war Deutschland die wichtigste Importquelle Finnlands, insbesondere für Investitionsgüter. Das Land war der zweitwichtigste Absatzmarkt für Produkte der finnischen holzverarbeitenden Industrie. Im Laufe der Jahre hat sich der Handel immer mehr zum intraindustriellen Austausch von ähnlichen Waren und Warenkomponenten gewandelt.

Dies hängt vor allem mit dem Strukturwandel der finnischen Industrie zusammen: betrug 1950 der Anteil der Holzindustrie noch 60 Prozent an den Exporten nach Deutschland und der der Papier- und Zellstoffindustrie 33 Prozent, so lagen diese 1995 bei 10 bzw. 37 Prozent der Deutschlandexporte Finnlands.

Der Anteil von Maschinenbau und Metallindustrieprodukten an den finnischen Exporten nach Deutschland nahm während der 1980er Jahre bedeutend zu. Um die Jahrtausendwende hatte die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie die forstbasierte Industrie als größten Exportsektor überholt und machte etwa ein Drittel des finnischen Exportwertes aus. Doch zur gleichen Zeit mit der Weltwirtschaftskrise begann auch der Abstieg des einstigen Exportschlagers Nokia, der Exportwert des Zweiges halbierte sich.

Was den Handel heute bewegt

Mit wenigen Ausnahmejahren hat der deutsch-finnische Handel kontinuierlich zugenommen. Seit 2014 behauptet sich die Bundesrepublik wieder als Finnlands wichtigster Handelspartner. 2016 belief sich der Gesamthandelswert auf 14,9 Milliarden Euro.

Die deutschen Exportschlager kommen u.a. aus dem Bereich der Automobilindustrie: 2016 wurden vor allem Beförderungsmittel (18,7%), Industrieanlagen (18,3%) und chemische Stoffe und Produkte (16%) nach Finnland eingeführt.

Fast einen Drittel (27,2%) der deutschen Importe aus Finnland machten 2016 Holz- und Papiererzeugnisse aus. Der Sektor Beförderungsmittel – stark getrieben von der Werft Meyer Turku sowie dem Auftragsfertiger Valmet Automotive, der seit 2013 für Mercedes fertigt – belegte den zweiten Platz (20,8%), trotz einer Abnahme um 25 Prozent zum Vorjahr.

Über den Warenhandel hinaus werden in Zukunft Dienstleistungsexport und Innovationstransfer eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Dagmar Ossenbrink ist seit 2014 Geschäftsführerin der Deutsch-Finnischen Handelskammer

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