Botschafter-Gespräch
Rainer Schubert, Botschafter Prof. Dr. Lado Chanturia, Frank Schüttig (von links)

Botschafter-Gespräch über Georgien

Von Rainer Schubert

Feierlich wurde am 7. Januar mit einem Konzert des Symphonischen Orchesters Tiflis nebst Männer- und Knabenchor unter Leitung des Komponisten Vakhatang Kakhizde im Großen Saal der Berliner Philharmonie das Deutsch-Georgische Jahr eröffnet. Es endet im September 2018, wenn Georgien das Gastland der Frankfurter Buchmesse sein wird. Mit Botschafter Prof. Dr. Lado Chanturia sprach BUSINESS & DIPLOMACY im Pestana Hotel Berlin Tiergarten über sein Land und die deutsch-georgischen Beziehungen.

Historisch gewachsene Beziehungen

Das Deutsch-Georgische Jahr soll das Kaukasusland besser im Bewusstsein der Deutschen platzieren, denn die gemeinsamen Beziehungen sind nicht nur gegenwärtig sehr eng, sie haben auch Geschichte. An drei besondere Marksteine dieser Beziehungen knüpfe man 2017/ 2018 an, erläuterte der Botschafter. 1817 wanderten die ersten deutschen Siedler, pietistische, schwäbische Bauern, in Georgien ein. Sie haben, so Prof. Chanturia, „eine wichtige Rolle für die Entwicklung Georgiens gespielt.“ 1918 war das Deutsche Reich der erste Staat, der die Unabhängigkeit der nach dem Ende des russischen Zarenreichs gegründeten Demokratischen Republik Georgien anerkannte. Und vor 25 Jahren, 1992, war es die Bundesrepublik Deutschland, die als erstes EU-Land das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder unabhängige Georgien diplomatisch anerkannte.
Tatkräftig wurde die Kooperation fortgesetzt. „Das ganze georgische Recht haben wir nach deutschen Vorbild reformiert, Verwaltungs- und Verfassungsrecht, ebenso das Strafrecht. Wir haben in den 1990er Jahren viele junge Juristen nach Deutschland geschickt. Über 90 Prozent dieser Juristen sind nach Georgien zurückgekehrt. Deshalb finden Sie heute in Georgien deutschsprachige Anwaltskanzleien und Notare, Richter, Staatsanwälte und Professoren. Dies hat für die Rechtsentwicklung und die westliche Orientierung Georgiens eine ausschlaggebende Rolle gespielt“, so der Jura-Professor und ehemalige Justizminister, der als DAAD- und Humboldt-Stipendiat selbst einer dieser entsandten Juristen ist und später auch Gastprofessor an der Kieler Christian-Albrechts-Universität war, die ihn mit ihrer Ehrendoktorwürde auszeichnete.

Westorientierung

Damit fällt das nächste Stichwort: Westorientierung. Georgien strebt die Mitgliedschaften in EU und NATO an. 2014 wurde mit der Europäischen Union ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet, dass die Einrichtung einer Freihandelszone vorsieht (Deep and Comprehensive Free Trade Area, DCFTA), das die gegenseitige Marktöffnung und die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards vorsieht. Seit 2016 sind diese Abkommen in Kraft. Der Botschafter bekräftigte: „Das außenpolitische Ziel ist: wir sehen Georgien als Mitglied der EU und der NATO. Wir brauchen dies für die Modernisierung, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, für den Wohlstand der Bevölkerung. Natürlich teilen wir die Werte der EU und der westlichen Welt.“ Darüber gebe es keinen Dissens zwischen Regierung und Opposition. Und Prof. Chanturia bekräftigt: „Dieser Kurs wird von 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt.“
Für diese westliche Orientierung sei Georgien bestraft worden, sagte der Botschafter mit Blick auf den großen Nachbarn Russland, nicht aufgrund der Gebietsstreitigkeiten um Abchasien und Süd-Ossetien. Seit dem Krieg 2008 um diese Territorien bestehen keine diplomatischen Beziehungen. Trotz der Okkupation von 20 Prozent des georgischen Territoriums, die man so nennen müsse, wenn dort russische Militärstützpunkte unterhalten werden, sei man gleichwohl an guten Beziehungen interessiert. Für russische Staatsbürger besteht Visa-Freiheit, was sie als Touristen zahlreich nutzen, und der Handelsaustausch ist rege. Zum Glück könne sich Georgien in der Territorialfrage auf die Unterstützung der Weltgemeinschaft stützen.

Drehscheibe des Südkaukasus

Zu den übrigen Nachbarn, insbesondere der Türkei und Aserbeidschan, und zu den Ländern Zentralasien bestehen sehr gute Beziehungen. „Georgien wird in der Zukunft eine Insel der Stabilität in der Region und ein zuverlässiger Partner für die Nachbarn sein“, prophezeite der Botschafter. „Tiflis ist Drehscheibe für alle Projekte des Südkaukasus.“ Für Transportprojekte gelte das schon jetzt. Durch Georgien führen drei wichtige Gas- und Ölleitungen, 2016 durchquerte das Land erstmalig der Güterzug aus China nach Europa, was neun bis elf Tage dauert, verglichen mit dem Seeweg von 40 bis 45 Tagen, so der Diplomat mit Blick auf das Projekt der Neuen Seidenstraße. Hierin liege die wirtschaftliche Zukunft, ebenso im Tourismus und der Landwirtschaft, nachdem das Ende der Sowjetunion zu einer Deindustrialisierung geführt habe. Für wirtschaftliche Projekte stelle die Regierung finanzielle Hilfen bereit. Aufgrund der Reformen seien die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen sehr gut, man könne in 24 Stunden ein Unternehmen gründen. Im Doing Business Index der Weltbank nimmt Georgien 2017 Rang 16 ein, nach dem International Crime Index gehöre Georgien zu den drei sichersten Ländern der Welt. Prof. Chanturia: „Meine Generation ist sehr stolz darauf, dass wir so viel erreicht haben.“ Aus Deutschland seien 350 Unternehmen in Georgien aktiv, und, was der Botschafter ausdrücklich betonte, man lege besonderen Wert auf die Zusammenarbeit in der Dualen Ausbildung.

7000 Jahre Weinbautradition

Typisch georgisch, das ist zu guter Letzt der Wein. Mit über 7000 Jahren Anbautradition gehört Georgien zu einem der Ursprungsländer der Weinkultur. Seit der Antike und heute fast nur noch in Georgien wird das Qvevri-Ausbauverfahren in Tonkrügen praktiziert, die im Erdreich gelagert werden. Seit 2013 gehört es zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe. 50 Millionen Flaschen exportierte Georgien 2016, davon allein 27, 2 Millionen nach Russland. Es folgen Länder des post-sowjetischen Raums, wo man den georgischen Wein kennt. Deutschland nahm nur 292.000 Flaschen ab, immerhin sechs Prozent mehr als 2015. Auch mit seinem überaus guten Wein muss Georgien in Deutschland noch viel bekannter werden. Um das zu ändern, lud Botschafter Chanturia nach dem Gespräch zu einer Verkostung ein. Den georgischen Weinhändlern sei für die hohe Qualität der weißen und roten Sorten gedankt. Ebenso bedankt sich BUSINESS & DIPLOMACY beim Pestana Hotel Berlin Tiergarten und Jaguar Land Rover, die mit ihrer Unterstützung dieses Botschafter-Gespräch ermöglicht haben.

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